Luzerner Pfisternbuch
Berwert Hunkeler Röthlin Weber Hürlimann Eltschinger Achermann Krenger Ettlin Iten Steiner Reinhard Odermatt Dudle Schneider Stadelmann Brunner Grätzer Abächerli Kreyenbühl Giopp Koch Hug Rüthemann
Bernet Hösli Aeschbach Müller Heini Märchy Schallberger Hegele Meile Bühlmann Antognini Waeffler Zemp Kunz Kronenberg Ottiger Bergamin Mätzler Gönner des Luzerner Pfisternbuches Stocker Zai Bachmann
Luzerner Pfisternbuch Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern Luzern Zunft zu Pfistern Luzern
Impressum ©Herausgeber: Loebliche Zunft zu Pfistern Luzern, 2009 Gestaltung: Metapur AG, Sarnen Satz und Druck: Abächerli Druck AG, Sarnen Text: Raymond Bachmann, Luzern; Peter Zai, Luzern Archiv und Sekretariat: Annemarie Stocker, Luzern Bilder: Heinz Steimann, Luzern Familienwappen: Heini Bühlmann, Luzern
Auflösung der Zunft 40 Zunfttafel 42 Wappenbüchlein 44 Zunfthaus zu Pfistern 49 Chronologie 49 Rückkauf der alten Pfistern 51 Der Umbau des Zunfthauses 1977 bis 1978 52 Eröffnung des Zunfthauses 1978 (Jubiläumsjahr 800 Jahre Stadt Luzern) 57 Umbauten und Erneuerungen 57 Instandstellungen/Pächterwechsel 2009 62 Die Fassadenmalerei am Zunfthaus von Seraphin Weingartner 65 Das Pfistern-Wirtshausschild 69 Vom Stubenknecht zum Pächter 71 Tavernen, Pinten, Zunftstuben, Stubenknechte 71 Pächter Werner von Känel 1978 bis 1986 71 Inhaltsverzeichnis Vorwort Buchkommission 7 Vorwort Zunftmeister 9 Was bedeutet die Bezeichnung Pfister? 11 Das alte Zunftwesen 13 Die Anfänge des Zunftwesens im Allgemeinen 13 Die Anfänge der Luzerner Zünfte 14 Pfister – Handwerk und Zunft in der Landschaft Luzern 16 Die Rolle der Frau im Handwerk und in der Zunft 21 Die Entstehung der alten Pfisternzunft 24 Zweck und Aufgaben der alten Zunft 29 Zunftordnung 30 Missachtung der Zunftordnung 33 Zunft und Kirche 35 Zunft und Politik 36 Organe der Zunft 38 Geld, Brotpreise und Gewichte 39
Pächterin Liselotte Schmid 1987 bis 2008 73 Schlusspunktfest 77 Pächter Peter Eltschinger, Familienunternehmen Remimag AG, 2009 79 Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern 81 Gründungsversammlung 81 Generalversammlungen 82 Verwaltung der Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern Luzern 102 Geschenkte Anteilscheine 104 Loebliche Zunft der Meister-Becken in Luzern 107 Neugründung 1984 107 Organe der Zunft 109 Zunftinsignien 110 Chargen-Zeittafel 116 Zunftjahr 119 Das Bot 119 Brotmärkte 119 Dinner Amical 122 Jubilaren-Ehrung 122 Das Jahresgedächtnis 122 Diverse Anlässe 124 25 Jahre Zunft zu Pfistern/Zeitchronik 127 Schlusswort und Dank 153 Pfisternlied 155 «Pfeschtere»-Marsch 156 Mitgliederverzeichnis 157 Quellenangaben 165
Der Vorrat des Luzerner Pfisternbuches, erschienen 1988, wurde im Sommer 2005 durch das Hochwasser in der Zentralschweiz in der Abächerli Druck AG in Sarnen samt den Druckunterlagen zerstört. Der Zunftrat der Zunft zu Pfistern beschloss, auf das bevorstehende 25-Jahr-Jubiläum der Zunft zu Pfistern im Jahre 2009 eine Neuauflage in Auftrag zu geben. Zur Finanzierung wurden in der Zunftrechnung 2008 Rückstellungen gemacht. Den Zünftlern wurde angeboten, zur Mitfinanzierung ihr Familienwappen im Buch eindrucken zu lassen, und die Lieferanten hatten die Möglichkeit, mit dem Eindruck ihres Firmenlogos ein Sponsoring zu leisten. Für die Realisation des Buches wurden Peter Zai, Präsident der Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern, Raymond Bachmann, Ehrenzunftmeister der Zunft zu Pfistern, und Zunftfee Annemarie Stocker vom Zunftrat der Zunft zu Pfistern angefragt, diese Aufgabe zu übernehmen. Das Trio war bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen. Und in der Tat, die Herausforderung war gross, der zeitliche Aufwand enorm. Trotz etwas Erfahrung von Peter Zai und Annemarie Stocker mit der Gestaltung des Buches «100 Jahre Bäcker- und Konditorenmeister-Verband Kanton Luzern 1905–2005» und dem unbelasteten Ehrenzunftmeister Raymond Bachmann war der Start harzig und das erste Jahr war vorbei – ohne grosse Aktivitäten und Manuskripte. Zuerst fiel die Entscheidung für ein neues Luzerner Pfisternbuch, das alte sollte ein Bestandteil seiner selbst bleiben und nicht einfach mit den letzten 20 Jahren ergänzt werden. Bei der Überarbeitung wurde dann festgestellt, dass zum besseren Verständnis Teile aus dem alten Buch übernommen, überarbeitet oder ergänzt werden mussten. Peter Zai war Autor des ersten Teils, welcher über das alte Zunftwesen, die alte Pfisternzunft bis zur Auflösung, das Zunfthaus zu Pfistern und deren Pächter und die Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern berichtet. Raymond Bachmann schrieb den zweiten Teil. Er war verantwortlich für das Zusammentragen sämtlicher Zunftdaten der Loeblichen Zunft der MeisterBecken von Luzern, von der Neugründung, dem Zunftjahr und seine Anlässe bis hin zur Zeitchronik 25 Jahre Zunft zu Pfistern. Annemarie Stocker schrieb die Handmanuskripte von Peter Zai, verbesserte, korrigierte, setzte alle Texte zusammen und überwachte die Finanzen. Die Buchkommission, wie die drei sich nannten, arbeitete ehrenamtlich. Fotograf Heinz Steimann wurde vom Zunftrat beauftragt, an den Anlässen Fotos zu machen, damit schöne und drucktaugliche Unterlagen für die Bilder im Buch geliefert werden konnten. Die Wahl der Fotos wurde von der Buchkommission getroffen. Ein herzliches Dankeschön an den Zunftrat der Zunft zu Pfistern, an die Zünftler, welche ihre Familienwappen Vorwort Buchkommission Peter Zai, Raymond Bachmann, Annemarie Stocker 7
eindrucken liessen und an die Lieferanten und Sympathisanten, die ein Sponsoring mit ihrem Firmenlogo leisteten. Ohne deren Unterstützung hätten wir das Buch nicht realisieren können. Besten Dank an die Abächerli Druck AG in Sarnen, Inhaber Zünftler Christian Abächerli, welche das Buch druckte. Die Mitarbeiter Stefan Haas, Kundenberater, und Nadia Gisler, Polygrafin, haben uns beraten und unterstützt. Ein Dankeschön an Christoph Ammon, Metapur AG in Sarnen, welcher das Layout festlegte. Wir waren ein gutes Team und je länger es dauerte, umso besser verstanden wir uns und jeder gab sein Bestes. Wir hoffen, dass wir dem Leser unsere Zunft und Genossenschaft etwas näher bringen können und dass er sich Gedanken macht, wie es früher war und was uns die Zukunft noch bringen mag. Vielleicht erkennt sich der eine oder andere auf einem Foto und es macht ihm Freude. Wir wünschen allen beim Durchlesen viel Spass! Peter Zai, Präsident der Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern, Luzern Raymond Bachmann, Ehrenzunftmeister der Zunft zu Pfistern Luzern Annemarie Stocker, Zunftfee der Zunft zu Pfistern und Sekretariatsführung des Bäcker- und Konditorenmeister-Verbandes Kanton Luzern 8
Vorwort Zunftmeister Alois Meile Mit Stolz und Freude präsentieren wir die zweite nicht einfach nur verbesserte, sondern ergänzte Auflage unseres Luzerner Pfisternbuches. Seit dem Erscheinen des ersten Werks sind 21 Jahre vergangen. Viel Neues ist geschehen, Veränderungen sind erfolgt, Anpassungen mussten vorgenommen werden. Ich picke zwei Highlights der vielen erwähnenswerten Punkte heraus, die in diesen 21 Jahren passiert sind: Unser Zunfthaus! Es ist eine Visitenkarte geworden, eine der schönsten, die man sich vorstellen kann. Sorgfalt, Ästhetik, Gastfreundlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes sind das Resultat der Arbeiten, welche in den abgelaufenen Jahren in dieses Haus hineingesteckt worden sind. Und genau das soll es sein und bleiben. Das wunderschöne Wirtshausschild mit dem prächtigen, goldenen Brezel, das im 25. Jubiläumsjahr 2003 der Genossenschaft Zunfthaus zu Pfistern angebracht wurde, ist ein echtes Symbol unserer Loeblichen Zunft. Dank an alle, die das ermöglicht haben! Wenn ich schon am Danken bin: Peter Zai, Raymond Bachmann und Annemarie Stocker haben sich mit grossem Engagement der Neugestaltung dieses Buches gewidmet, und das natürlich ehrenamtlich! Daneben darf auch Zünftler und Drucker Christian Abächerli nicht unerwähnt bleiben – ebenso wenig wie Grafiker Christoph Ammon. Zu guter Letzt Dank auch an Fotograf Heinz Steimann, der mit seinen tollen Fotos dieses Buch nicht nur lesenswert, sondern eben auch sehenswert macht. Euch allen ein ganz herzliches Merci. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Freude bei der Lektüre. Lasst Euch die Botschaften und Bilder auf der Zunge zergehen wie ein PralinéTruffe ... Alois Meile, Meister aller Lozärner Pfister 9
Vornehmer Bäcker präsentiert sein Handwerk: 1 verschiedenes schwarzes und weisses Brot 2 Brotkorb 3 Ofenschüssel 4 Brezel 5 Geige 6 weisser Weggen 7 Schmalzzöpfchen 8 Ringbrot 9 mit Blumen verzierter Kranz 10 Mehlbesen 11 Schmalzzöpfchen 12 Brezel 13 Kümmelzöpfchen 14 Teigmulde 15 Holzbackofen 10
Der Schweizer Brothistoriker Max Währen, Bern, beantwortet diese Frage ausführlich: Die Bezeichnung Pfister entstammt aus dem Lateinischen und zwar vom Tätigkeitswort «pinsere» = zerstampfen, Hauptwort «pistor» = der «Zerstampfer». Im alten Rom war der Bäcker zugleich Müller, der vor dem Gebrauch der Mühle das Korn im Mörser zerstampft hat. Daher bezeichnete man wahrscheinlich seit der Einführung der gewerblichen Bäckerei um 171 v. Chr. den Müller als Pistor. Vor rund 2000 Jahren hat sich dann die Berufsbezeichnung «pistor» auf den Bäcker übertragen. Es gab damals einen römischen Gott namens Jupiter pistor, weil er nach der Überlieferung den auf dem Kapitol eingeschlossenen Römern den Gedanken eingab, Brot auf die Gallier hinabzuwerfen, damit diese meinten, die Römer hätten noch genug zu essen und eine weitere Belagerung sei vergeblich. Dieser Trick war erfolgreich. Bei uns war die Bezeichnung «pistor» für Bäcker bereits um 800 bekannt. Die Bäckerei wurde im 11.Jahrhundert «pistrinum» oder «pfistreia» genannt. Deshalb wurden seit dem 14. Jahrhundert die Bäckerzünfte von diesem Namen beeinflusst, sodass man von jener Zeit an die Zunft zu Pfistern kannte, z. B. in Freiburg, Luzern, Bern. In Frankreich hiess der ältere Name für Bäcker «talmisier», das heisst «Sieber», weil er das Korn bzw. Mehl siebte. Etwa vom 14. Jahrhundert an machten die Bäcker in Frankreich halbkugelförmige Brote, sodass man sie von da an «boulanger» nannte (boule = Kugel, also «Kugler»). Die Pfister waren in früheren Zeiten zugleich Zuckerbäcker und Konditoren und produzierten auch Kleingebäck. Von allen Leuten, die heute Pfister heissen, kann mit Sicherheit angenommen werden, dass ihre Vorfahren irgendeinmal Bäcker waren. Was bedeutet die Bezeichnung Pfister? Die Benennung Pfisterzunft oder Pfisternzunft Nach jahrhundertealter Tradition hielt sich die Luzerner Pfisternzunft an die Schreibweise «Pfistern» und «Pfisternzunft», also «Zunft zu Pfistern». Diese Tradition soll in diesem Werk – soweit es sich nicht um den einzelnen Pfister handelt – weitergeführt werden. 11
55 56 51 70 71 72 73 59 52 Grossstadtseite auf dem Stadtplan von Franz Xaver Schumacher von 1792 mit den neun Zunfthäusern der Kürschner (51), Schmiede (52), Schuhmacher (55), Gerber und Wirte (56), Metzger (59), Pfister (70), Schneider (71), Schützen (72) und Safran (73). 12
Die Anfänge des Zunftwesens im Allgemeinen Der Name «Zunft» bedeutet ursprünglich einfach Zusammenkunft, Übereinkunft. Die verwendeten Begriffe, Hanse, Gilde, Innung usw. sagen im Grunde dasselbe aus wie «Zunft»; sie bezeichnen mehr die Form als den Inhalt. In Luzern war der Begriff «Zunft» bis zirka 1600 verpönt. Zunächst war einfach von Handwerkern die Rede. Die Entwicklung der Zünfte darf man sich im Grossen und Ganzen in folgenden drei Phasen vorstellen: 1. Bildung von Bruderschaften, die seit dem Ende des 11. Jahrhunderts und dem Beginn des 12.Jahrhunderts kultische, karitative und gesellige Aufgaben unter den Handwerkersbrüdern ausübten. 2. Daraus entwickelten sich die Zünfte – oft von Stadtherren gefördert – als «… mit eigenen Organen ausgestattet und mit Verbandspersönlichkeit begabten Körperschaften, welchen die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten aufgetragen war, darunter auch die Regelung gewerbepolizeilicher Aufgaben». 3. Die Zünfte kämpften um einen Anteil am Stadtregiment. Diese Phase fällt ins 14. Jahrhundert. Die Entstehung der Zünfte ist in der Regel als langsames Wachsen zu verstehen, bei dem sich die vier Elemente, die den Zunftverband ausmachen, nämlich das Gesellige, Religiöse, Berufliche und Politische, nach und nach entwickeln und verknüpfen. Dabei konnte eine Zunft auch lebensfähig sein, wenn nicht alle vier Elemente verwirklicht waren, wie die Beispiele von Luzern und Bern zeigen, wo die Zünfte die politische Vertretung in den Räten nie erreichten. Auffallend ist, dass sich im Bereich der Eidgenossenschaft die politische Zunftbewegung nur im Nordosten durchzusetzen vermochte. Zunftverfassungen, die sie zu Zunftstädten machten, haben nur Basel, Zürich, Winterthur, Schaffhausen, St. Gallen und Chur erhalten. In Bern sind Versuche der Zünfte um 1290 und nochmals um 1350 gescheitert. Von Luzern wird im nächsten Kapitel berichtet. Die Frage, ob in einer Stadt die Zünfte an die Macht kamen oder nicht, war zwar für deren weitere Entwicklung von Bedeutung, allerdings nicht so ausschlaggebend, wie man vielleicht annehmen könnte. Im 16. bis 18. Jahrhundert waren in Städten wie Bern und Luzern die Aristokratenfamilien stark vertreten. In diesen Städten hatten die Zünfte politisch kein Gewicht. In den Zunftstädten Basel, Zürich, Schaffhausen und St. Gallen war die Aristokratie weniger oder gar nicht vertreten, darum hatten die Zünfte politisch grösseren Einfluss. Auch die wirtschaftliche Grundlage der herrschenden Schicht war eine andere. Während sich das Luzerner Das alte Zunftwesen 13
Patriziat vor allem auf landwirtschaftlichen Besitz sowie auf Einkünfte aus Solddienst und Verwaltung abstützte, herrschte in den Zunftstädten eine Schicht, die durch Handel und Gewerbe zu Reichtum gekommen war und sich später vor allem aus Grosskaufleuten rekrutierte; sie verlieh dem Wirtschaftsleben dieser Städte bis heute nachwirkende Impulse. Die Anfänge der Luzerner Zünfte Im Allgemeinen werden in der Geschichtsschreibung die Entstehung der Luzerner Zünfte zu früh angesetzt. Drei Ursachen mögen bei diesem künstlichen Ältermachen der Luzerner Zünfte mitgespielt haben. Einerseits der Stolz der Zünfte selber, möglichst zu den frühesten gehört zu haben und eine lange Geschichte aufweisen zu können, sodann die falsche Interpretation von Text- und Bildstellen bei Chronisten wie Petermann Etterlin und Diebold Schilling und schliesslich die in der Tat schwierige und dürftige Quellenlage. Die schwierige Quellenlage wiederum ist teilweise eine Folge davon, dass eine erste Zunftbewegung in Luzern im Jahre 1337 scheiterte und die Handwerke sich darauf gleichsam im Verborgenen entwickelten. Die Bewegung von 1337 hängt zweifellos zusammen mit jenen Handwerkeraufständen in vielen Städten am Rhein, die den Zünften in Zürich und Basel zu Zunftverfassungen und zur Beteiligung im Rat verhalfen. In Luzern bewirkten die Spannungen mit Österreich, die sich nach dem Abschluss des ewigen Bundes mit den Waldstätten im Jahre 1332 ergaben, dass der von den Oberschichten gebildete Rat sich gegen seine Schwächung durch eine Regierungsbeteiligung der Handwerke im Rat zur Wehr setzte. Im Jahre 1337 war es wegen einem vom Rat mit Österreich ausgehandelten Frieden, der vor allem die durch den Korn- und Viehhandel mit der Innerschweiz verbundenen Reussschiffer und Müller benachteiligte, zu einer Erhebung gekommen. Der Rat gab ihr in einigen Punkten nach. Entscheidend war aber, dass er den Handwerken jegliche internen Vereinbarungen, die Berufssachen betrafen, untersagte. Solche waren weiterhin vor den Rat zu bringen. Das war ein klares Nein zur Bildung von Zünften und zur zünftigen Beteiligung an der Regierung. Dieses resolute Durchgreifen des Rates bezeugt, dass die damals kritische aussenpolitische Lage Luzerns der Zunftbewegung nicht förderlich war. Daneben deutet es aber auch auf die numerische Schwäche der Handwerke hin. Diese sahen sich nach der Niederlage von 1337 gezwungen, sich fortan ruhig zu verhalten. Ihre bruderschaftlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten dürften sie aber weiterhin erledigt haben. Doch wurde davon nichts aktenkundig. Sie waren eben geduldet, aber nicht gutgeheissen. Ein paar Jahrzehnte später werden ihre schriftlichen Spuren häufiger. 14
Zwar finden sich auch jetzt noch keine Stiftungsurkunden oder Zunftordnungen. An so etwas war nach dem Jahre 1337 noch für lange Zeit nicht zu denken. Vorgänge zwischen den Jahren 1370 und 1380 beleuchten aber eine Situation, in der die Handwerke als organisierte Gesellschaften deutlicher hervortreten. Im Jahre 1373 kamen Räte und Burger überein, wenn Angehörige eines Handwerks, seien es Meister oder Gesellen, von Drittpersonen geschlagen oder beleidigt würden, dürfe das Handwerk diese Sache nicht zu seiner eigenen machen. Das ist ein Hinweis, dass die wichtigsten Handwerke organisiert und bereit waren, sich bei Rechtshändeln für ihre «Zünftler» einzusetzen. Vor dem Jahre 1375 beschloss der Rat, dass die Zinsen für die Verkaufsstände jener Handwerker, die ihre Waren auf der «Schaal» anzubieten hatten, nicht mehr von jedem einzeln, sondern von den Handwerken für ihre Entstehung und Fusion der Gesellschaften im 14./15. Jahrhundert Gesellschaft Ersterwähnung Jahr der Fusion Name der Gesellschaft nach Fusion um 1600 Affenwagen 1374 1451 bzw. 1587 Schützen Schützen um 1415 Gerber 1394 1455 Gerber Wirte 1385 Metzger um 1415 1458 Metzger Fischer und Rohrgesellen 1415 Krämer 1430 1453 – 1473 Fritschi Zimmerleute um 1415 Keine Fusion der Gesellschaften Schuhmacher 1404 Schuhmacher Pfister 1408 Pfister Schneider 1398 Schneider Schmiede 1406 Schmiede Kürschner 1425 Kürschner 15
Mitglieder insgesamt zu entrichten seien. Die «Schaal» war das öffentliche Verkaufsgebäude auf dem Weinmarkt. Das betraf Metzger, Bäcker, Gerber, Schuhmacher und Tuchleute. Diese gemeinsame Aufgabe dürfte einen wichtigen Anstoss zur strafferen Organisation der Handwerksgesellschaften gebildet haben. Im Jahre 1373 jedenfalls waren die wichtigsten Handwerke organisiert. Bald darauf werden die wichtigsten Handwerke deutlicher fassbar, weil ihre Stuben aktenkundig werden. Das war 1394 bei den Gerbern der Fall, es folgten 1398 die Schneider, 1404 die Schuhmacher, 1406 die Schmiede, 1408 die Bäcker und 1415 die Metzger. Diese sechs Handwerke stellten zweifellos in Luzern wie in andern Städten auch die wichtigsten Produktionszweige dar. Abschliessend noch einige Gedanken zur Frage, warum den Luzerner Handwerken nach 1360 die Bildung von Gesellschaften gelang, was ihnen der Rat ein Vierteljahrhundert zuvor noch verwehrt hatte. Der Hauptgrund lag sicher darin, dass die Ansprüche der Handwerke nun viel gemässigter waren. Von politischen Forderungen und einer Beteiligung im Rat war jetzt nicht mehr die Rede. Andererseits deckte sich der Wunsch der Handwerke, die Regelung wichtiger Berufsfragen an die Hand zu nehmen mit den Interessen des Rates, der sich gerade damals anschickte, sein ihm zwischen 1386 und 1415 zugefallenes grosses Herrschaftsgebiet politisch und wirtschaftlich zu gestalten. Bei der Durchsetzung der städtischen Herrschaftsansprüche konnten ihm organisierte Berufskörperschaften der Handwerke und des Gewerbes nur als nützlich erscheinen. Pfister – Handwerk und Zunft in der Landschaft Luzern Was ist eine Landzunft? Wir verstehen darunter behördlich anerkannte Organisationen von Handwerkern in Dörfern und Marktflecken, die sich an die beruflich-handwerkliche Tradition, an Normen von Standesehre und berufsständischer Ordnung und an den grenzüberschreitenden Kontakt mit ähnlichen Organisationen hielten. Sie beabsichtigten ganz klar keine politischen Ambitionen. Es spielt auch keine Rolle, wann die Landzunft entstanden ist, wie sie sich nannte und ob sie mit einer kirchlich-kultischen Gemeinschaft verbunden war oder nicht. Es scheint, dass eigentliche Landzünfte nur im deutschsprachigen Gebiet entstanden sind und zwar in den Kantonen Bern, Luzern, Solothurn und im südlichen Aargau. Solange das Land relativ dünn bevölkert war und Handwerk vielfach neben der Landwirtschaft ohne grössere Ambi16
Der Marktplatz Unter der Egg um 1830. 17
Pfaffnau 1796 Grossdietwil 1738 Oberkirch 1760 Willisau 1760 1715 Ufhusen Luthern St. Urban 1716 Reiden Dagmersellen 1592 1767 Knutwil 1760 Triengen Pfeffikon 1769 1725 Büron Buttisholz 1763 1790 Grosswangen 1639 Menznau 1585 Ruswil Ermensee 1753 Oberebersol Hochdorf Eschenbach 1792 1732 Rain Beromünster Sursee Sempach Rothenburg Erstmalige Erwähnung 16. Jahrhundert und früher 17. Jahrhundert 18. Jahrhundert 1760 Jahr der Konzessionserteilung 0 5 10 km Kriens 1591 Horw Werthenstein Kl. Emme Emme Reuss 1597 Malters 1643 Hildisrieden vor 1743 Schongau 1753 1696 Die konzessionierten Bäckereien auf der Landschaft im Kanton Luzern. «Bild aus Handwerk, Gewerbe und Zunft in der Stadt und Land- schaft Luzern» von Annemarie Dubler. 18
Willisau Im Unterschied zu Sursee regten sich die Willisauer Handwerker im 15. Jahrhundert überhaupt nicht. Offenbar griff die Bewegung der Handwerker in den Aargauer Städten nicht auf die damals abgelegene Kleinstadt im Luzerner Hinterland über. Das erklärt sich leicht aus den noch fast dörflichen Verhältnissen Willisaus im Spätmittelalter. Rund hundert Jahre nach der Entstehung der ersten Surseer Bruderschaften kam es dann überraschend doch noch zur Gründung von eigenen Organisationen in Willisau. Im 17. Jahrhundert begannen sich die Willisauer Handwerker an den grösseren Möglichkeiten ihrer Berufsgenossen in Sursee zu messen. So entstand 1697 die Pfistervereinigung, eine Nach- ahmung der rund 300 Jahre älteren Bäckerbruderschaft in Sursee. Die Handwerkerbruderschaften in Sursee und Willisau waren anfänglich rein städtische Institutionen wie die Gesellschaften in Luzern. Zwar gehörten zu ihrer Kultgemeinschaft auch vereinzelte Landleute, aber der Kern an BeÖsterreich und zur geografischen und wirtschaftlichen Einheit der alten Landschaft Aargau, aus der sich Willisau dank der Verselbstständigung seiner Grafschaft bereits früher gelöst hatte. Als junge Kleinstadt bildete es ein noch wenig erprobtes Zentrum des Luzerner Hinterlandes. Sursee und Sempach Ein erster Gradmesser für die Bedeutung der lokalen Handwerkerschaft war die Zahl der Handwerkerbruderschaften in der Stadt. Mit einigem Abstand hinter Baden und Zofingen folgte Sursee mit drei Bruderschaften. Sempach hatte im 15. Jahrhundert offenbar zuwenig Handwerker für die Gründung von Bruderschaften. Bäcker und Metzger fanden in den kleinen und mittelgrossen Städtchen nur ein beschränktes Auskommen, weil bis ins 18. Jahrhundert vorwiegend im Privathaus gebacken und geschlachtet wurde. Deshalb entstanden Bäckerbruderschaften nur in den wichtigeren Orten Baden, Zofingen und Sursee. tionen betrieben wurden, fühlten sich die Landleute nicht benachteiligt. Das änderte sich im Lauf des 16.Jahrhunderts, als die Landbevölkerung stark zunahm und das Handwerk im Dorf ein immer wichtigerer Faktor der Volkswirtschaft wurde. Nun lag die berufliche Organisation der Pfistermeister auf dem Lande sozusagen in der Luft. Wer nun auf der Luzerner Landschaft eine einheitliche Handwerkerbewegung erwartet, wird enttäuscht. Die Zunftentwicklung teilte sich vielmehr in eine landstädtische und eine dörfliche, die sich in wesentlichen Punkten unterschieden. Nicht zuletzt im Zeitpunkt der Zunftgründung, in der Motivation der Gründer und schliesslich auch im ganzen Charakter der Organisation. Das luzernische Staatsgebiet umfasste seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts drei Landstädte, nämlich Sursee, Sempach und den fast städtischen Marktflecken Beromünster. Sursee, Sempach und Beromünster gehörten bis ins Eroberungsjahr 1415 zum Herrschaftsbereich Habsburg19
rufsleuten blieb allein auf die Stadt beschränkt. Zünfte, Gesellschaften und Handwerkerbruderschaften waren ein Privileg der städtischen Handwerker. Das änderte sich in den Jahren 1560 bis 1570 fast schlagartig, als sich nämlich die dörflichen Handwerker zu organisieren begannen. Die Bruderschaften der Dorfhandwerker Die Gründung von zünftigen Handwerkerbruderschaften auf der Landschaft setzte 1568 ein und dauerte bis 1718. Insgesamt entstanden dreissig Verbände, hauptsächlich Weber-, Schuhmacher-, Schneider- und Schmiedezünfte. Die Landhandwerkerbewegung konnte nur so stark sein, weil der Luzerner Rat sie mit Wohlwollen förderte. Ihm war an einer gleichmässigen Aufsicht über das Landhandwerk gelegen, wofür sich eine Zunftorganisation ähnlich der städtischen am besten zu eignen schien. Im Unterschied zu den lokalen Stadtzünften in Luzern, Sursee und Sempach bildeten die Pfistermeister auf dem Lande grosse regionale Verbände. Von den zwei landstädtischen Zunftzentren Willisau, Beromünster und den sieben dörflichen Zunftzentren Ruswil, Malters, Hochdorf, Knutwil, Büron, Dagmersellen, Grossdietwil aus wurde nun auch die Landschaft dem Diktat der Zunftwirtschaft unterworfen, der sich nur die zunftlosen Ämter Entlebuch und Weggis entziehen konnten. Zur Landzunft gehörten nur die Meister des betreffenden Berufes. Sie war ein reiner Berufsverband, der die Handwerksfragen regelte und sich auch beim geselligen Anlass des Zunftessens nicht für eine erweiterte Gemeinschaft öffnete. Die Landzunft glich damit weit eher den städtischen Meisterschaften (ein Art Brufsverband) und weniger den Stadtzünften, die zu einem guten Teil aus freiwilligen Stubengesellen bestanden. Der Sonderfall Entlebuch 1781 schrieb Josef Xaver Schnyder von Wartensee, zuerst Vikar in Escholzmatt, später von 1774 bis 1784 Pfarrer in Schüpfheim, dass es im Lande Entlebuch bekanntermassen keine Zünfte und Handwerksgesellschaften gebe. An Versuchen, sie einzuführen, habe es zwar nicht gefehlt, wobei die einen aus Eigennutz und die andern wohlmeinend gehandelt hätten, während jene, welche die Zünfte nicht mochten, ohne zu überlegen gegen alles «brüllten», was Zunft hiess. In der Tat ist die Landhandwerkerbewegung der 1560er- bis 1580er- Jahre am Entlebuch spurlos vorübergegangen. Weder haben sich die Handwerker selber organisiert, noch zeigten sie irgendwelche Ambitionen, sich den neuen Zünften in einem der Zunftzentren anzuschliessen. In ungewohnter Milde überliess der Luzerner Rat den Landleuten die Entscheidung, sich selber Zünfte zu geben oder sich den Handwerkerbruderschaften in Ruswil oder Willisau anzuschliessen. Doch geschah nichts dergleichen. Weder errichtete man im Entlebuch eigene Bruderschaften, noch bemühte man sich um die Mitgliedschaft in anderen Zünften. Und tatsächlich bestä20
tigte der Luzerner Rat schon wenige Jahre später die besonderen Freiheiten des Landes Entlebuch. Die Landleute brauchten keine Zünfte anzuerkennen und waren auch nicht gehalten, sich dem Zunftzwang irgend einer Stadt- oder Landzunft zu unterwerfen. Die Einschränkung folgte allerdings auf dem Fuss. Der Rat bestimmte, dass die solchermassen Zunftfreien nur im eigenen Land arbeiten durften und bestraft würden, wenn man sie ausserhalb anträfe. Diese Regelung fand allseits Zustimmung. Die Rolle der Frau im Handwerk und in der Zunft Um 1550 hat noch kein Mensch daran gedacht, dass die Frau im Handwerk einmal als Rivalin des Mannes auftreten könnte. In der Stadt Luzern waren Handwerk und Zunft damals ausschliesslich Männersache. Anders als in den alten Zunftstädten wie etwa Basel, wo Frauen im 13. und 14.Jahrhundert verschiedene Handwerke ausübten und auch die Mitgliedschaft in der Zunft erwerben konnten, scheinen die jüngeren Zünfte in Zürich und Luzern die Frauen weder im Handwerk noch in der Zunft zugelassen zu haben. Nicht dass die Frau in Zunft und Handwerk keinen Platz gehabt hätte. Aber dieser Platz war von untergeordneter Bedeutung. Im Grunde ging es einzig um eine dienende Funktion zur Erhaltung des männlichen Vorrechts im Handwerk. Die Rolle, welche das spätere Zunftrecht den Frauen in allen eidgenössischen Städten zubilligte, beschränkte sich auf Stellvertretung. Die Witwe eines Handwerkers durfte die Werkstätte so lange weiterführen, bis ihr Sohn ausgebildet war und als Meister den Platz des verstorbenen Vaters in Zunft und Handwerk einnehmen konnte. Viele Zünfte sahen des Weiteren vor, dass anstelle des fehlenden Stammhalters die Meisterstochter das halbe väterliche Stubenrecht auf der Zunft erben konnte, sofern sie mit einem der Zunft genehmen Berufsmann des betreffenden Handwerks verheiratet war. Dieses Recht konnte aber nicht etwa von der Tochter zu ihrem eigenen Nutzen beansprucht werden. Das Recht ging an ihren Ehemann. Üblich war ferner, dass die Ehefrauen der Handwerker ebenso wie ihre Kinder zur Kultgemeinschaft der Zunft gehörten. Sie waren zum Besuch der Totengottesdienste und der Jahrzeitfeiern verpflichtet und erhielten ihrerseits das Totengeleit der Handwerkerbruderschaft. Zu den Anlässen, die in der Stube, dem Zunftlokal, stattfanden, waren die Frauen jedoch nicht zugelassen. In Luzern war somit die Frau im Handwerk und in den Handwerkerzünften fast nicht vertreten. Hingegen war sie auf dem Gebiet des Kleinhandels, also in der Krämerei, in Luzern ebenso wie in allen andern Städten zugelassen und tätig. Auch vom Handel grösseren Stils war die Frau als Unternehmerin keineswegs ausgeschlossen. Folgerichtig gehörte sie den Krämerzünften als Mitglied an. Die luzernische Krämerin zu Stadt und Land musste sich wie ihre männlichen Kollegen in die Safranzunft einkaufen, wenn sie 21
mit ihrer Ware die Märkte besuchen wollte. Sie unterstand ebenfalls der Gerichtsbarkeit des Krämerschultheissen. Doch lässt die Stubenordnung von 1453 keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Berufskrämerin nie Zugang zur Stube hatte und nie ein Stubenrecht genoss. Ihre Zugehörigkeit zur Zunft beschränkte sich auf die Mitgliedschaft in der religiösen Bruderschaft und auf die Bindung an Rechte und Pflichten des KrämerBerufsverbandes. Zünfte waren Männervereinigungen. Im Mittelalter lag der Frauenanteil bei den Zunftmitgliedern bei etwa 10 Prozent. Die Zunftstuben – ob im Handwerk oder im Gewerbe – blieben bis zu ihrer Auflösung im 19. Jahrhundert die Domäne des Mannes. Die Frau hatte nur an der Seite ihres Gatten beziehungsweise ihres Vaters zutritt als Gast an festlichen Anlässen. Brotverkäuferin aus dem Jahre 1735.
Und wie steht es heute mit den Frauen in der Zunft? Zünftige Frauen, gibt es die überhaupt? Nachdem die Zünfte durch die Einführung der Handels- und Gewerbefreiheit ihre wirtschaftliche Bedeutung und durch die neuen Kantonsverfassungen von 1875 auch ihre politische Rolle als Wahlkörper verloren hatten, blieb ihnen nur noch die staatliche Funktion als Vormundschaftsbehörde. Was blieb, war die gesellschaftliche Bedeutung der Zünfte. Frauen hatten auch in den Zünften gar keine politischen Rechte, was dazu führte, dass sie nie in ein Amt gewählt wurden oder gewählt werden konnten. Da sie darüber hinaus im gesellschaftlichen, zünftigen Leben keine Rolle spielten, liegt es auf der Hand, dass sie aufgrund der sich gewandelten Bedeutung der Zünfte kaum mehr als Zunftschwestern zu finden sind. In der Zunftstadt Basel war die Aufsicht der Basler Bürgergemeinde über die Zünfte in einer Korporationsverordnung geregelt. 1990 wurde bei der Totalrevision dieser Verordnung bestimmt, dass jede Basler Zunft autonom darüber entscheiden kann, ob Frauen in die Zunft aufgenommen werden oder nicht. Mit Ausnahme der Zunft zu Schneidern, die drei Zunftschwestern in ihren Reihen zählt, fehlt es an entsprechenden Aufnahmegesuchen zunftwilliger Frauen. In der Zunft zu Brotbecken in Basel sind bis jetzt keine Frauen zünftig. Auch bei der Zunft und Bruderschaft der Müller, Bäcker- und Zuckerbäcker der Stadt Zug sind keine Frauen zugelassen, weil es so in den Satzungen steht. Einzig bei der Schreinerzunft ist genau eine Frau dabei und das ist die «Fasnachtsfigur Greth Schell». Die 1925 gegründete Luzerner Weyzunft wählte in den ersten Jahren neben dem Zunftmeister auch die Frau des Zunftmeisters zur Zunftmeisterin, passte sich dann aber der traditionellen Zunft zu Safran an, bei welcher keine Frauen zünftig sind. Bei einigen Fasnachtszünften gibt es die Frau in der Zunft, sogar Zunftmeisterinnen gab es in einigen Landgemeinden wie z. B. in Beromünster und Dagmersellen. Bei der Pfisternzunft Luzern wurde 1991 der Antrag von Zunftmeister Otto Wagner abgelehnt, Frauen aufzunehmen. In Zürich werden in den historischen Zünften, die die ehemaligen Berufsstände repräsentieren, und auch in den neuen Zünften, die die Stadtquartiere vertreten, keine Frauen aufgenommen. Der 1988 gegründeten Zürcher Frauenzunft gelang es bis jetzt nicht in das ZZZ (Zentralkomitee der Zürcher Zünfte) aufgenommen zu werden. Die Frauenzunft berief sich zwar auf historische Wurzeln, wie z. B. dass Frauen im Mittelalter als Meisterinnen ihres Gewerbes auch in verschiedenen Handwerkerzünften Einsitz hatten. Massgebend für die zünftische Tradition ist aber nicht nur die reale oder mutmassliche Welt des Mittelalters, sondern vor allem auch die Gestalt des Zunftwesens an der Wende zum 20. Jahrhundert. 23
Am Zürcher Sechseläuten, dem Höhepunkt der Zürcher Zunftanlässe, darf die Zürcher Frauenzunft nicht teil- nehmen. Eine staatliche Funktion haben die Zünfte einzig noch in Bern. Zu den öffentlichen Aufgaben der alten Zünfte zählten neben dem Feuerlöschwesen, gewissen militärischen Hilfeleistungen auch die Vormundschaft über die Zunftangehörigen. Die Berner Zünfte, die heute als Gesellschaften bezeichnet werden, betreuen seit dem 16. Jahrhundert schon das Vormundschafts- und Armenwesen. Als staatliche Körperschaften unterstehen die Berner Gesellschaften dem Gleichstellungsartikel in der Verfas- sung und nehmen seit einigen Jahrzehnten auch Frauen als Mitglieder auf. In der Gesellschaft zu Pfistern in Bern, die schon seit 1536 das Vormundschaftswesen und die Armenfürsorge für ihre Zunftangehörigen betreut, sind Frauen vertreten. Die Pfistern nennt sich Gesellschaft und nicht mehr Zunft, weil die Mehrheit ihrer über 2000 Mitglieder nicht mehr Vertreter des ursprünglichen Bäckerhandwerks sind. Heute ist noch die Familie Werner Meyer, Bern, als Bäcker in der Gesellschaft vertreten. Die Teilnahme der Frauen am Zunftleben unterscheidet sich von Zunft zu Zunft und ändert sich im Laufe der Zeit immer wieder. Die Zunftbote bleiben zwar überall den Zünftlern vorbehalten. Andere An- lässe, auch traditionelle, werden heute teilweise mit den Frauen gefeiert. Auch bei uns in der Zunft zu Pfistern begleiten die Frauen die Zünftler an die Feierlichkeiten nach dem Zunftbot. Die Entstehung der alten Pfisternzunft Gründung, Ordnung der vier beteiligten Gewerbe Wann die Luzerner Pfisternzunft gegründet wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Offensichtlich nicht lange vor der Entstehung des Wappenbüchleins im Jahre 1408. Jedenfalls datiert erst aus dieser Zeit die förmliche, zunftmässige Organisation, wie die im Wappenbüchlein ausdrücklich erwähnte Erwerbung eines Zunfthauses zeigt. Auch die den Namen einzelner Gesellen beigefügten Angaben über Schenkung von Geräten und Gefässen, die zu dieser Zeit Ausstattung einer Trinkstube (Gaststätte) waren. Die Zunft verfolgte nur gewerbliche, militärische und gesellige Zwecke. Politische Bedeutung hatte sie – wie auch die andern Zünfte in Luzern – nicht. Es kann sich deshalb auch kaum um eine Darstellung ihrer Geschichte, sondern vielmehr ihrer Organisation handeln. 24
Die Zunft bestand aus Handwerkern der Pfister (Bäcker) und der Müller. Später schlossen sich die Pastetenbäcker (Konditoren) (1697) und die Schiffleute des sogenannten «Pfisternauens» (1598) an. Das Recht, das Bäckergewerbe auszuüben, war mit einem bestimmten Grundstück verbunden, mit welchem es veräussert oder verpachtet werden konnte, den sogenannten «Ehehaften». Ehehaften konnten mit Bewilligung der Regierung auch umgewandelt werden, zum Beispiel ein Pfisterrecht in ein Weinrecht. Es stand der Regierung zu, solche Rechte gegen Bezahlung einer Gebühr zu verleihen. Die Ausübung des Gewerbes wurde scharf überwacht. Eine Menge detaillierter Vorschriften wurden zum Schutze der Kundschaft erlassen, die im Laufe der Zeiten abgeändert wurden. Die Pfister hatten das nötige Getreide auf dem öffentlichen Kornmarkt zu kaufen, jedoch nur so viel als sie voraussichtlich für eine gewisse Zeit benötigten. Das gekaufte Getreide mussten sie bei den Müllern der Stadt – ihren Zunftbrüdern – mahlen lassen. Der Lohn dafür wurde obrigkeitlich normiert. Es war auch genau vorgeschrieben, um welche Tageszeit mit dem Feuern des Ofens begonnen, wann damit aufgehört und wann das Brot in den Ofen gebracht werden musste. Auch diese Vorschriften wurden immer wieder geändert. An Sonn- und Feiertagen durfte nicht gearbeitet werden. Der Gewerbezwang äusserte sich auch darin, dass die Obrigkeit den Preis des Brotes festsetzte. Ursprünglich wurde für dasselbe nicht ein bestimmtes Gewicht verlangt, sondern ein fester Preis für das Brot bestimmt und dann je nach Marktpreis des Getreides das Gewicht verändert. Der Preis war fest, das Gewicht veränderlich. Später trat dann das Umgekehrte ein: das Gewicht oder Mass war fest, der Preis veränderlich. Als Brotsorten werden erwähnt: Weiss- brot, kerniges Brot, gemischeltes Brot (1479), Ruchbrot. Kleingebäck und Lebkuchen herzustellen war nicht allen Pfistern und auch nicht jederzeit erlaubt. Im Jahre 1610, am Samstag vor Nikola (4. Dezember), wird verordnet, dass inskünftig Eierringe nur noch am St. Niklausentag, Weihnachten und Neujahr auf den Markt gebracht werden dürfen mit der Begründung, dass solche Backwaren für den «gemeinen Mann» schädlich seien. Sehr oft wurden Klagen gehört über nicht vollgewichtiges und auch schlechtes Brot. Zur Strafe wurde den Fehlbaren für einige Wochen oder Monate der Betrieb eingestellt oder es wurde den Bäckern vom Lande erlaubt, ihre Ware in die Stadt zu bringen und zu verkaufen. Letzteres wirkte besonders empfindlich. Mit der Kontrolle über die Qualität und Quantität der Gebäcke waren die Brotschätzer oder Brotschauer zuständig. Nach der Art des Verkaufs wurde unterschieden zwischen Feilbrot und Hausbrot. Ersteres wurde vom eigenen Mehl gebacken und öffentlich feilgeboten. Für letzteres lieferten die Kunden das Mehl und zahlten dem Bäcker für das Backen einen tarifmässigen Lohn. 25
1418 wurde verordnet, wer «Bockenzen» (Hausbrot) backe, dürfe kein Weissbrot verkaufen. Im Jahre 1470 wird den Bäckern, welche Hausbrot backen, der öffentliche Verkauf von Gebäck untersagt. Das Feilbrot musste in älterer Zeit an einer zentralen Verkaufsstelle, der «Brotschol», verkauft werden, welche in der «Grossstadt» zwischen dem alten Fischermarkt (jetzigem Weinmarkt) und der Rössligasse lag. Daneben wurde verbotenerweise auch «Unter der Egg» Brot verkauft und bald auch in den Kaufläden. Die öffentlichen Verkaufsstellen scheinen nicht sehr im Interesse der Bäckerschaft gewesen zu sein, denn schon frühzeitig und wiederholt sah sich die Regierung gezwungen, mit allem Nachdruck an dieser Einrichtung festzuhalten. Mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts hat denn auch die Benutzung der Brotschol aufgehört. Daneben mussten sie sonderbarerweise dieselbe noch eine Zeit lang mit den Schuhmachern teilen, obwohl der Rat von ihnen einen Mietzins bezog. Das Hausbrot und dasjenige, welches für auswärts gebacken wurde, brauchte freilich nicht auf die Brotschol gebracht zu werden. Abgesehen von oben aufgeführten Strafmassregeln wurde den Bäckern von der Landschaft gestattet, Brot in der Stadt zu verkaufen. Als die Stadtbäcker sich dann darüber beschwerten, wurde den Bäckern aus der Landschaft nur noch in beschränkterem Masse gestattet, ihr Brot zum Verkauf in die Stadt zu bringen. Die Bauernbäcker durften ihr Brot nur am Samstag öffentlich in der Stadt anbieten. Das Brot durfte auch nicht den Häusern nachgetragen werden, sondern musste auf der Brotschol verkauft werden. Um den zünftigen Pfistern den Absatz ihrer Ware möglichst zu sichern, wurde die Einrichtung von Bäckereien auf dem Lande in nächster Umgebung der Stadt bedeutend erschwert. Wie sehr das Bäckergewerbe im Ansehen stand, ersehen wir daraus, dass der Grosse Rat immer eine beträchtliche Anzahl Pfister zu seinen Mitgliedern zählte. In den Bestimmungen des Jahres 1426 heisst es: ein Mitglied des Rates, welches Pfister ist, soll für das Wegbleiben von der Sitzung wegen dringender Berufsgeschäfte entschuldigt sein. Die Pastetenbäcker erhielten erst spät eine zunftgemässe Organisation, obwohl sie vermutlich schon vor Aufnahme in die Pfisternzunft gewisse gewohnheitsrechtliche Statuten besessen haben. Ihre Anzahl wird nur gering gewesen sein, weil seinerzeit die Apotheker viele Produkte verkauft haben, die wir heute in der Konditorei beziehen. Gewisse süsse Gebäcke wie z.B. Lebkuchen wurden von den Pfistern hergestellt. Am 4. Januar 1697 erfolgte die Aufnahme der Pastetenbäcker in die Pfisternzunft. Es wurde für sie ein Meisterbrief ausgestellt. Man wollte, dass sie in ihren Rechten und Pflichten den andern in der Zunft vereinigten Gewerben völ26
Der Pastetenbäcker Der Bäcker 27
lig gleichgestellt waren. Besondere, in den allgemeinen Zunftordnungen nicht enthaltene Bestimmungen waren folgende: Streitigkeiten unter sich können die Pastetenbäcker selber schlichten, müssen aber die gefällten Bussen an die gemeinsame Kasse bezahlen. Die andern Gewerbe durften sich nicht in die Gewerbeangelegenheiten der Pastetenbäcker mischen. Die vier Meister des Pastetenbäckerhandwerks kauften sich jeder für die Summe von 125 Gulden in die Gesellschaft ein. Die Müller bildeten – wie die Pfister – einen der ursprünglichen Bestandteile der Zunft. Sie betrieben ihr Gewerbe auf den Stadtmühlen, den Mühlen des Spitals und des Spendenamtes. Die beiden letzteren Mühlen mahlten indessen nur für die Anstalten, denen sie angehörten. Zur Strafe für arge Verstösse gegen die von der Behörde verordneten Vorschriften für das Müllergewerbe, konnten den Müllern die Lehen ohne weiteren Entgelt Der Müller 28
Rein äusserlich der Gesellschaft angefügt, weil keinem verwandten Gewerbe obliegend, waren die Schiffleute des «Pfisternauens», eines Schiffes, das wöchentlich einmal mit Kaufmannsgütern, hauptsächlich Getreide, über den Vierwaldstättersee nach Uri fuhr. Auffallend ist der Name «Pfisternauen», denn das Schiff führte ihn längst, als die Schiffleute der Pfisternzunft beigetreten sind. Ebenso hiessen letztere von alters her «Pfisterleute», welche schon vor ihrer Verbindung (1598) mit der Pfisternzunft ihre eigene kooperative Organisation hatten. Auch nachher blieb die besondere Organisation, welche das Schifffahrtswesen betraf, bestehen. Der Pfisternauen besass das Monopol, allein Getreide nach Uri zu führen. Die «Pfisterleute» waren selbstständig bei der Aufnahme neuer Mitglieder, die andern drei Gewerbe wirkten dabei nicht mit. Von den neu Aufgenommenen wurde dabei nicht einmal verlangt, dass sie Bürger waren. Die Mitgliedschaft musste mit einer entzogen werden. Sie standen im Ruf, mit Eifer für ihren eigenen Vorteil zu sorgen, dagegen weniger denjenigen des Volkes im Auge zu behalten. Deswegen wurde ihnen schon früh befohlen, das Getreide, das ihnen zum Mahlen übergeben wurde und nachher das daraus gemahlene Mehl, den Kunden auf der öffentlichen Waage vorzuwägen. Dies zu halten mussten sie eidlich geloben. Sie sollten überhaupt nur dem allgemeinen Interesse dienen und bloss mahlen, was ihnen von den Kunden gebracht wurde. Auf eigene Rechnung Korn zu kaufen und daraus Mehlvorräte zu produzieren war ihnen verboten. Sie durften nur so viel Korn kaufen, als für sie nötig war. Was sie als Mahllohn erhielten, durften sie verkaufen. Jedes Jahr zu Martini wurde unter Aufsicht von zwei Ratsherren von verschiedenen Arten Getreide und von der gleichen Art von verschiedenen Qualitäten ein gleiches Mass gemahlen, um den Unterschied in der Menge des gewonnenen Mehls festzustellen und für das laufende Jahr als Norm anzunehmen. ziemlich hohen Summe erkauft werden, woraus zu schliessen ist, dass das Gewerbe einträglich war. Mit den Schiffleuten des «Urinauens», den urnerischen Transportschiffen, entstanden häufig Streitigkeiten, wobei die beidseitigen Regierungen sich ihrer Leute gewöhnlich kräftig annahmen, und wenn keine Genugtuung geleistet wurde, Repressalien ausübten. Zweck und Aufgaben der alten Zunft 1. Vor allem erstrebte die Berufsorganisation eine berufsständische Regelung der fachlichen Zusammenarbeit. Sie beaufsichtige zu diesem Zwecke die von Regierung und Gesetz geforderte Innehaltung bestimmter Verfügungen und Massnahmen. Schutz der bestehenden Betriebe, Bewilligung zur Errichtung neuer Unternehmen, Schliessung bestehender, fehlbarer Gewerbe wurden zwar von Behörden bestimmt. Es steht aber ausser jedem Zweifel, dass die behördlichen 29
Beschlüsse im Einvernehmen mit der Zunft zustande gekommen sind. 2. Als weitere wesentliche Aufgabe leistete die Zunft ihren Beitrag zur Si- cherung des Lebensraumes gegen Aussen. Jeder Zünftler hatte neben Grundbesitz das Vorhandensein eines eigenen, guten Harnisch nachzuweisen. Die Zunft zu Pfistern hatte eine eigene Kriegsmannschaft zu stellen. Hauptmann und Fähnrich oder Bannerherr waren Meister der Pfisternstube. Diese Einheit zog mit ihrem eigenen Banner als «Fähnlein der Pfisterleute» ins Feld. 3. Der dritte Zunftzweck war ausschliesslich gesellschaftlicher Natur. Zunfteigene Festlichkeiten, Teilnahme an Begräbnissen, Abhaltung eigener Totengottesdienste und Jahrzeiten für verstorbene Zunftmitglieder oder ihre Angehörigen gehörten zu den Aufgaben der Berufsorganisation. Zunftordnung Ältester Ordnungs- und Stubenbrief der Gesellschaft zu Pfistern Luzern In Gottes Namen, Amen. Weil in allen Dingen nichts besser ist als Ordnung und nichts schlechter als Unordnung, verkünden wir, die Meister und Stubengesellen der Gesellschaft zu Pfistern in Luzern, nach der Beratung im offenen Bot und mit der Erlaubnis der Räte von Luzern, dass unsere Gesellschaft mit der KerzenJahrzeit und allem andern in der überkommenen Tradition auf ewig bestehen bleiben möge. Darum haben wir, Meister und Stubengesellen, die folgende Ordnung aufgesetzt: Alle Pfister, welche in Luzern ihr Handwerk ausüben, können selber über ihr Geschäft entscheiden. Was aber die Belange der Gesellschaft und des Hauses anbetrifft, sollen alle Gesellen mitbestimmen. Die jeweiligen Stubenmeister können, falls sie dies als notwendig erachten, den Stubenknecht heissen, ein offe- nes Bot zu verkünden, ob nun nur Belange des Pfisterhandwerks oder Allgemeines zu verhandeln ist. Jene Stubengesellen, die am Bot nicht erscheinen, müssen als Strafe ein Pfund Wachs an die Kerzen bezahlen, es sei denn, sie hätten einen wichtigen Entschuldigungsgrund. Die durch das Handmehr der Anwesenden genehmigten Beschlüsse können durch Gesellen, welche am Bot nicht erschienen sind, nicht rückgängig gemacht werden. Wer vom Bot mit einer Aufgabe, sei es Stubenmeister, Brotmeister oder anderes, betraut wird, hat diese ohne Widerrede zu erfüllen, bei Strafe eines Pfundes Wachses an die Kerzen. Keiner kann jedoch zum Stubenmeister oder zum Brotmeister über mehr als ein Jahr hinweg gewählt werden. Es soll auch keiner in Luzern als Meister das Handwerk betreiben, der nicht Burger der Stadt ist. 30
Ältester Ordnungs- und Stubenbrief der Gesellschaft zu Pfistern von 1469. Das Siegel des Schultheissen Caspar von Hertenstein hängt an einer grünseidenen Schnur. Petschaft (Handsiegel) mit den Zunftinsignien und der Umschrift: «Die Loebliche Zunft der M.-Becken in Luzern». Daneben Siegellack, Schere und darunter Siegelabdruck.
Wenn ein Müller Meister ist und ihm der Rat eine Mühle zu lehen gibt, soll er 20 Plapart an die Kerzen vor dem heiligen Kreuz bezahlen. Will er sich in die Gesellschaft einkaufen, soll er dennoch 6 Gulden Gebühr entrichten. Wenn ein Pfister oder Müller aus der Gesellschaft austritt, kann er die Kerze trotzdem wie ein Geselle benützen. Ein neuer Stubengeselle soll vor dem offenen Bot empfangen werden. Er soll dem Haus 6 Gulden geben und den Meistern zwei Mass guten Weins offerieren. Auch die Meister werden ihm zwei Mass Wein kaufen. Will ein Geselle gegen einen Kandidaten sprechen, soll er seine Sache zuerst vor die Meister bringen. Wird dessen Argument als wichtig angesehen, soll der Kandidat zurückgewiesen werden. Erachten die Meister das Vorgebrachte als nebensächlich, wird der Kandidat aufgenommen. Wenn ein Stubengeselle stirbt und einen Sohn als Erben hinterlässt, so Wer das Handwerk in Luzern lernen will, der soll der Gesellschaft voerst 24 Plapart (1 Plapart = 11/4 Schilling) an die Kerze vor dem heiligen Kreuz im Hof bezahlen, ob Burger oder Gast. Und wenn er hernach Meister werden will, soll er wiederum 20 Plapart geben, ausser, ein Meister, der bereits Stubengeselle ist, lehre seinen Sohn selbst. Dieser Lehrling müsste für die Lehre nichts bezahlen. Wenn er anschliessend in die Gesellschaft eintreten will, ist er den Gesellen gleichgestellt. Er soll den Meistern und Gesellen für die Gesellschaft 6 Gulden geben, die bezahlten 20 Plapart abgezogen, verbleiben 5 Gulden. Wenn ein fremder Meister nach Luzern zieht, einer, der das Handwerk auswärts gelernt hat, soll er 44 Plapart an die Kerze vor dem heiligen Kreuz im Hof geben. Wenn er Burger ist und sich in die Gesellschaft einkaufen will, soll er auch zu den 2 Pfunden 5 Gulden Gebühr entrichten. wird letzterer, ob ehelich oder unehelich, den Schild und die Mitgliedschaft erben, doch soll er den Meistern zwei Mass guten Weins bezahlen. Hinterlässt ein Stubengeselle mehrere Söhne, welche das Handwerk nicht betreiben, so soll der älteste den Schild erben. Der Begünstigte soll den Meistern ebenfalls zwei Mass guten Weins bezahlen. Hinterlässt ein Stubenknecht eine eheliche Tochter, welche sich mit einem Bäcker oder Müller verheiratet, so soll letztere einen halben Schild erben und den Meistern zwei Mass Wein bezahlen. Heiratet sie aber keinen entsprechenden Handwerker, kann die Gesellschaft entscheiden wie sie will. Die gegenwärtigen und zukünftigen Stubengesellen sollen die gestiftete Jahrzeit gemäss dem gesiegelten Brief treu begehen. Jeder Stubengeselle soll zu Beginn des Jahres der Gesellschaft 2 Plapart als Jahresbeitrag geben. Wer 32
listen und damit der Verordnung wiederum mehr Gewicht zu verleihen. Der Rat bestätigte deshalb, dass kein Pfister in der Stadt vor 23.00 Uhr backen und die Öfen nur bis 14.00 Uhr eingefeuert werden durften. Behördlich bewilligt wechselten demnach fünfzehn Stunden Backzeit und neun Stunden Ruhe. In diesem Zusammenhang beklagten sich Zunft und Rat, dass die Feiertage bei vielen Pfistern nicht eingehalten wurden. Zudem wurde angeordnet, dass jeder nur mit seinem Ofen backen und diesen nicht an Berufsleute ausleihen durfte. Offenbar gab es schon zu jener Zeit Schlaumeier, die es verstanden haben, Gesetze und Vorschriften zu umgehen. Wir erinnern uns: «Wer nicht Bürger war, kann nicht Pfister sein und wer nicht pfisternzünftig war, darf nicht backen». Nun gab es aber welche, die weder das eine noch das andere waren und trotzdem die Möglichkeit hatten, Brot zu backen und zu verkaufen, weil verantwortungslose Zünftler «geschäftsDieses Dokument wurde am Sonntag vor Pfingsten im Jahre 1469 im Auftrage des Rates von Schultheiss Caspar von Hertenstein mit seinem Siegel versehen und damit in Kraft gesetzt. Missachtung der Zunftordnung Im Jahre 1520 musste durch Beschluss des hohen Rates all jenen das Handwerk gelegt werden, die in der Stadt Brot backten und verkauften, obwohl sie nicht Burger waren, keinen eigenen Backofen besassen und auch nicht als Meister der Zunft angehörten. Immer wieder wurden Vorschriftsübertretungen festgestellt. Der Rat musste dann und wann zum Rechten sehen. Im Jahre 1588 beklagte sich die Zunftleitung zu Pfistern, dass die versiegelten Pergamente missachtet würden, was zur Folge habe, dass keine Ordnung mehr herrsche. Sie baten den Rat, das Wesentliche aus diesen alten Pergamenten aufzudies nicht tut, der soll seinen Schild verlieren. Jeder Geselle solle jedem anderen der Gesellschaft in Leid und Not beistehen, so wie er dies auch selbst gerne in Anspruch nimmt. Wem von der Stadt eine Wanne geliehen wird, um seinem Handwerk nachzugehen, der soll den Meistern zwei Mass guten Weins bezahlen. Es darf hier auch keiner Meister werden und das Handwerk betreiben, ob Pfister oder Müller, der nicht eines guten Mannes Harnisch mit sich bringt (Militärpflicht!). Doch allen diesen Dingen haben wir das Stadtrecht mit seinen Freiheiten und guten Gewohnheiten vorbehalten und überlassen es den Räten, diese Ordnung zu verbessern, zu reduzieren oder ganz zu vernichten. Gefahr und Arglist seien daraus verbannt. 33
RkJQdWJsaXNoZXIy MzA1MTI=